Ceta-Krise überrollt EU-Gipfel - Keine harte Linie gegen Putin

21.10.2016 20:01

Beim EU-Gipfel in Brüssel sollte es am Freitag um Handelspolitik
gehen. Wegen des Streits um Ceta werden daraus Krisengespräche. Und
als die Chefs abgereist waren, eskalierte die Situation erst richtig.

Brüssel (dpa) - Doppelter Rückschlag für den EU-Gipfel: Die 28
Staats- und Regierungschefs haben nicht zur Rettung des Handelspakts
Ceta betragen können und einigten sich auch nicht auf einen harten
Kurs gegen Russland im Syrien-Konflikt. Besonders der Abbruch der
Ceta-Verhandlungen droht die Union tiefer in die Krise zu stürzen.
Ein Scheitern des seit 2009 ausgehandelten Deals würde die
Glaubwürdigkeit der EU beschädigen. Bei anderen Themen wie Migration
und Brexit blieben die Entscheidungen im Rahmen der Ankündigungen.

Nach dem Gipfel blieb offen, wie die Union das Gezerre um Ceta bis
zur geplanten Unterzeichnung des Handelsabkommens mit Kanada am
kommenden Donnerstag beenden will. Wenige Stunden später folgte der
Knall: Eine zermürbte kanadische Handelsministerin Chrystia Freeland
erklärte, dass sie derzeit keine Chance mehr für das Abkommen sehe.
Sie war zu Verhandlungen in Wallonien, der kleinen belgischen
Provinz, die sich querlegt und damit die Unterzeichnung von Ceta
blockiert.

Die EU-Kommission versuchte, die Wogen zu glätten. «Ich bin wirklich
traurig, dass die Gespräche gestoppt worden sind. Hoffe, noch eine
Lösung zu finden, um Ceta zu unterzeichnen», schrieb
Handelskommissarin Cecilia Malmström bei Twitter. Der wallonische
Regierungschef Paul Magnette sprach vage davon, «vielleicht eines
Tages» die Gespräche wieder aufnehmen zu können.

Die EU-Spitzen fürchten um die Glaubwürdigkeit der Gemeinschaft als
internationaler Partner. Würde Ceta scheitern, würde künftig wohl
kaum noch ein solches Abkommen zustandekommen. Österreichs
Regierungschef Christian Kern sagte, die Debatte sei ein Signal, dass
es so in der EU nicht weitergehen könne.

Belgien braucht für die Unterschrift die Zustimmung der Wallonie, und
die EU braucht die Unterschrift Belgiens. Einen von der EU-Kommission
vermittelten Kompromiss hatte die Regionalregierung am späten
Donnerstagabend abgelehnt und weitere Nachverhandlungen gefordert.
Belgiens Regierungschef Charles Michel gestand ein, dass er in der
Frage weitgehend machtlos sei. Regionalchef Magnette nannte als
Streitpunkt unter anderem die in dem Abkommen vorgesehenen
Schiedsgerichte. Die Vorbehalte Bulgariens und Rumäniens wurden
hingegen mit der Zusage Kanadas für Visafreiheit ausgeräumt, wie
Juncker sagte.

Merkel kam in ihrer Abschlusspressekonferenz zurück auf die
Gipfeldebatte am Donnerstagabend über die EU-Linie gegen Russland
wegen der Syrien-Politik. Sie hätte eine schärfere Formulierung zu
möglichen Maßnahmen gegen Russland vorgezogen, sagte Merkel. Die 28
Staats- und Regierungschefs hatten sich aber nicht auf eine Drohung
mit «restriktiven Maßnahmen» einigen können, die Wortwahl wurde
abgemildert.

Merkel meinte dennoch, man werde wenn nötig auch wieder auf
Sanktionen zurückkommen. «Um der Menschen Willen wäre es mir Recht,
wir würden einen dauerhaften Waffenstillstand bekommen und würden
dann auch Hilfsmaßnahmen ergreifen können.»

Es wäre falsch zu sagen, dass sie die Geduld mit dem russischen
Präsidenten Wladimir Putin verliere, sagte die Kanzlerin. «Politische
Probleme löst man nur mit Geduld.» Sie nannte die Angriffe auf die
syrische Stadt Aleppo erneut unmenschlich.

Am ersten Gipfeltag hatten die 28 EU-Staaten auch die strikte Linie
gegen illegal eingewanderte Menschen bekräftigt. Sogenannte
Migrationspartnerschaften sollen bewirken, dass weniger Menschen über
das Mittelmeer aus Afrika kommen und mehr dorthin zurückkehren.