Trump und EU weiter uneins - Obama im Schulterschluss mit Merkel

25.05.2017 15:48

Monatelang zeigten sich die europäischen Verbündeten verunsichert
über den neuen Mann im Weißen Haus. Jetzt saßen sie in Brüssel an
einem Tisch. Doch längst nicht alle Risse sind gekittet.

Brüssel/Berlin (dpa) - Offene Atmosphäre, wenig Annäherung: Auch nach

ihrem ersten Treffen liegen US-Präsident Donald Trump und die Spitzen
der Europäischen Union in zentralen Punkten über Kreuz. Es seien
Fragen wie Handel, Klimaschutz und das Verhältnis zu Russland offen
geblieben, sagte EU-Ratspräsident Donald Tusk am Donnerstag nach dem
Gespräch mit Trump in Brüssel. In der Nato gingen die US-Verbündeten

dagegen auf wichtige Forderungen Trumps ein und kündigten Pläne zur
Erhöhung der Verteidigungsausgaben an.

Trump kam zum ersten Mal nach Brüssel - ausgerechnet an einem Tag, an
dem Vorgänger Barack Obama in Berlin zusammen mit Bundeskanzlerin
Angela Merkel auf dem Kirchentag auftrat. Seit dem Amtswechsel im
Januar war das transatlantische Verhältnis gespannt, weil Trump die
Nato und auch die EU zeitweise infrage stellte. Zudem stellte sich
Trump gegen den herkömmlichen Freihandel und drohte den europäischen
Partnern mit Schutzzöllen. Auch das für die EU so wichtige Pariser
Klimaschutzabkommen zog er in Zweifel. Nun traf er erstmals
EU-Ratspräsident Tusk und Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker.

Tusk sagte danach, er habe das Gefühl, man sei sich vielen Gebieten
einig, etwa beim Kampf gegen Terror. «Aber einige Fragen bleiben
offen - wie Klima und Handel.» Über die Haltung beider Seiten zu
Russland sagte Tusk, er sei «nicht hundertprozentig sicher», dass man
eine gemeinsame Position habe. Für Trump ist Russland ein äußerst
heikles Thema. In den USA untersucht mittlerweile ein Sonderermittler
mögliche Verstrickungen seines Wahlkampfteams mit Russland.

Tusk ließ auch anklingen, dass er grundsätzliche Differenzen sieht.
Er mahnte, für Europa und Amerika müssten Werte und Prinzipien wie
Freiheit, Menschenrechte und Menschenwürde an erster Stelle stehen:
«Die größte Aufgabe ist heute die Stärkung der gesamten freien Welt

rund um diese Werte und nicht nur Interessen.»

Kommissionspräsident Juncker warb bei dem Treffen nach Angaben eines
Sprechers für intensivere Handelsbeziehungen. «In diesem Zusammenhang
hat man vereinbart, die Arbeit an einem gemeinsamen Aktionsplan zum
Handel aufzunehmen», hieß es.

Trump äußerte sich nach dem Treffen nicht öffentlich, sondern fuhr zu

einem Mittagessen mit dem neuen französischen Präsidenten Emmanuel
Macron vor dem Nato-Spitzentreffen. Schon vor der Zusammenkunft von
Staats- und Regierungschefs aus allen 28 Nato-Staaten wurden wichtige
Weichen gestellt, um Trump entgegenzukommen.

Wie Generalsekretär Jens Stoltenberg bestätigte, tritt die Nato der
internationalen Allianz gegen den IS bei. Zudem verpflichten sich die
Nato-Staaten, Pläne vorzulegen, wie sie ihre Verteidigungsausgaben
erhöhen wollen. Beides hatte Trump gefordert.

Der Beitritt zur Anti-IS-Koalition ist nach Darstellung von
Stoltenberg mehr als nur ein symbolischer Schritt. Das Bündnis werde
nun als Koordinationsplattform für den Kampf gegen das Terrornetzwerk
dienen können. Zudem werde die Allianz den Einsatz ihrer
Awacs-Flugzeuge zur Luftraumbeobachtung ausweiten und die Stelle
eines Anti-Terror-Koordinators schaffen. Auch solle der Austausch von
Geheimdienstinformationen ausgebaut werden.

Außenminister Sigmar Gabriel (SPD) sagte in einem dpa-Interview, er
unterstütze den Beitritt, den Deutschland lange kritisch gesehen
hatte. Er schloss aber aus, dass sich das Bündnis an Kampfhandlungen
gegen den IS beteiligt. «Kampfhandlungen sind nicht der Auftrag der
Nato. Sie ist ein Verteidigungsbündnis.» Ob Trump sich mit den
Zusagen zufrieden gibt, war zunächst unklar.

Ex-Präsident Obama ging bei seinem Auftritt in Berlin indirekt auf
Distanz zu seinem Nachfolger Trump, indem er eindringlich für
Freiheitsrechte und diplomatische Konfliktlösungen eintrat. Trumps
Namen erwähnte Obama aber nicht. Vielmehr lobte er die Kanzlerin, sie
habe «hervorragende Arbeit geleistet, nicht nur hier in Deutschland,
sondern in der ganzen Welt».

In Brüssel jagte am Donnerstag ein wichtiger Verhandlungstermin den
nächsten. So trafen Juncker und Tusk auch den türkischen Präsidenten

Recep Tayyip Erdogan, nachdem dessen Maßnahmen nach dem Putschversuch
und der Wahlkampf vor dem Verfassungsreferendum die Beziehungen
belastet hatte. Nach dem Gespräch mit Erdogan erklärte Tusk, das
schwierige Thema Menschenrechte sei «Zentrum unserer Diskussionen»
gewesen. Konkretes wurde zunächst nicht bekannt.