«Wohnzimmer des Campus» - EU-Architekturpreis für Studierendenhaus Von Christian Brahmann, dpa

26.04.2024 11:01

Seit Eröffnung des neuen Studierendenhauses in Braunschweig wird das
Gebäude von zwei Berliner Architekten mit Preisen ausgezeichnet. In
diesem Jahr lässt es Konkurrenz aus Europa hinter sich.

Brüssel/Braunschweig (dpa) - Wer hinter dem Campus leicht rechts
schaut, blickt direkt auf das preisgekrönte Gebäude von zwei Berliner
Architekten. Da aber nicht an jeder Ecke Braunschweigs prämierte
Architektur zu vermuten ist, überrascht es vielleicht doch ein wenig:
Das neue Studierendenhaus der Uni heimst derzeit eine Auszeichnung
nach der nächsten ein. Bundesweit ließ es zuletzt Bauwerke aus
München und Berlin hinter sich, jetzt hat sogar europäische
Konkurrenz aus Madrid und Lund das Nachsehen. 

Der mit 60 000 Euro dotierte EU-Preis für zeitgenössische Architektur
ist in diesem Jahr für das Haus in der niedersächsischen Stadt -  von

den beiden Berliner Architekten Gustav Düsing (40) und Max Hacke
(38). Das steht seit der offiziellen Bekanntgabe in Brüssel vom
Donnerstagabend fest. «Es ist mehr als ein Gebäude, eher ein
vielseitiges System, das technologische Fortschritte mit einem
flexiblen und wiederverwendbaren Prinzip verbindet», heißt es zur
Begründung von der Jury in Brüssel. Düsing und Hacke seien die
jüngsten Gewinner des Mies-van-der-Rohe-Awards. Sie erhalten die
Auszeichnung im Mai in Barcelona. 

«Schön, dass das Augenmerk auch auf kleineren, lokalen Projekten
liegt, die aber viel mit den Menschen und ihrer Umgebung zu tun
haben», sagt Düsing zum Preisgewinn. Es sei ein gutes Zeichen für die

Bauwende, anderes Bauen und den Versuch, den ökologischen Fußabdruck
zu verringern. Sein Partner Hacke bezeichnet das Gebäude als
«Wohnzimmer des Campus». Die Auszeichnung rücke die wichtige soziale

Funktion des Campus in den Vordergrund, die seit der Corona-Zeit noch
deutlicher sei. 

Das zentral gelegene Studierendenhaus wurde Anfang 2023 eröffnet und
soll das studentische Leben am Hauptcampus bereichern.  Es liegt
direkt am Ufer der Oker und soll mit der transparenten Architektur
als Ort des Austausches zu konstruktiven Diskussionen einladen, die
Glasfassade sorgt für viel Tageslicht. Beide Architekten legten nach
Angaben der Uni viel Wert auf Schallabsorption, eine gute Akustik und
eine warme Atmosphäre. Mit ihrem Entwurf hatten Düsing und Hacke
einen Wettbewerb der TU-Architektur gewonnen.  

Die Stahl-Holzkonstruktion ist in zirkulärer, nachhaltiger Bauweise
entstanden und erlaubt nach der Beschreibung der Uni eine einfache
Montage und Demontage. Alle Bauteile können demnach auch nach
Jahrzehnten wiederverwendet werden, da sie alle verschraubt und nicht
geschweißt sind. Erst vor wenigen Wochen wurde bekannt, dass das Haus
2024 auch die Auszeichnung des Deutschen Architekturmuseums (DAM)
erhält, mit der jährlich herausragende Bauten in Deutschland
gewürdigt werden. Die Baukosten gibt die Uni mit 5,2 Millionen Euro
an.

Die Gruppe, für die das Haus in erster Linie gedacht ist, nimmt das
Angebot längst dankbar an. Das wird beim Besuch an einem Vormittag
deutlich. Nahezu voll besetzt sind die 160 Lernplätze. Einige
Studierende sind für sich vertieft in den Uni-Stoff, in einer anderen
Ecke diskutieren mehrere kleine Gruppen. Wer mehr Platz braucht,
verschiebt einfach eine der Trennwände. Stühle und Hocker sind
schnell für Präsentationen zusammengestellt. Alles ist dabei
möglichst einfach gehalten.

Was das Gebäude ausmacht, zählen die Studierenden vor Ort ohne langes
Nachdenken auf: «Für Arbeit in kleinen Gruppen ist es hier gut, es
ist nicht ganz so leise wie in der Bibliothek», sagt die 18-jährige
Elise Ehrentraut. Ihre Tischnachbarin Charlotte Jüttner zeigt sich
begeistert vom vielen Tageslicht. Im Sommer könne man sogar draußen
auf einem der Balkone arbeiten, sagt sie. Beide haben gerade erst ihr
Chemie-Studium begonnen, sind sich aber schon sicher, dass sie öfter
ins Studierendenhaus kommen werden.